Wer kommt denn, wenn was sein sollte?

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Vorweg was Privates vom letzten Samstag: Mein bester Freund war zu Besuch, seine thailändische Freundin liebt Firefighter, also stießen wir zum Halligalli des Norddorfer Feuerwehrfestes. Dirks erste Reaktion: “Das ist ja richtig geiles community-work hier. Das hätte ich damals mal auch machen sollen, zur Feuerwehr gehen”, sagte er. “Bei uns auf dem Dorf. Hab ich jetzt schon öfter gedacht. Aber ich war einfach zu Ichbezogen damals.” Gerade anlässlich unserer kleinen Feuerwehr-Reihe fand ich diese Worte, so ganz unvermittelt ausgesprochen, richtig gut. Dirk wird der Insel in Sachen Feuerwehr-Nachwuchs leider nix bringen. Er lebt schon seit zig Jahren in Bangkok.

 

Thorsten Ertel in seinem Garten (Foto Undine Bischoff)

 

Thorsten Ertel, mit dem es weitergeht, lebt monatelang am Strand. Also fast. Der 45-Jährige betreibt die Strandkorbvermietung Süddorf und ist ein gutes Beispiel dafür, dass auch Menschen mit Saisonjobs und Jotwede-Arbeitsplatz gut bei der Feuerwehr sind. Wenn Ertels Pieper geht, müsste er seinen Laden zu machen, mit dem Trecker über den Sand nach Nebel rattern, wo das Auto steht, das ihn zur Wehr bringt, wo dann vielleicht (eher nicht) die Kameraden sind, mit denen er zum Einsatz fahren könnte. “Ist alles mit unserem Wehrführer abgesprochen”, sagt, Ertel. “In der Saison bin ich einfach ein bisschen raus und kann manchmal nur zu den zwei Übungsdiensten im Monat kommen.” Dafür ist er sofort wieder dabei, sobald die Körbe im Winterquartier stehen. Dann taucht der gelernte Karosserie- und Fahrzeugbauer (mit Meisterprüfung) in seine Süddorfer Werkstatt ein, bastelt an seinem alten Austin-Healey Sprite von 1959 und macht Stahl- und Blecharbeiten, wie zum Beispiel die Gangway des Ausflugsschiffes Eilun oder Regale fürs Nebeler Blaufeuer-Interieur.

 

Mit so einer Werkstatt-Sache fing auch seine Feuerwehrgeschichte an. Schwanger ging er damit schon länger, wie er sagt. “Wer mit offenen Augen über die Insel geht, sieht, wenn wegen Sturm keine Fähren fahren, der macht sich schon so seine Gedanken zum Ernstfall.” Ertel kannte den amtierenden Nebeler Wehrführer Oliver Ziegler (Amrum News vom 27. Juni 2016) aus der Modellflieger-Gruppe (“Große-Jungs-Spiele am Hubschrauber-Landeplatz) und hatte so “die Feuerwehr immer mal wieder auf dem Zettel”. Nach den schlimmen Winterstürmen 2013 war am Nebeler Einsatzwagen eine Tür verbogen und Thorsten Ertel wurde von Lennard Langfeld angesprochen, ob er da was machen könne. Während der Reparatur fragte man ihn, warum er eigentlich nicht in der Feuerwehr sei.

 

Thorsten Ertel beim Feuerwehr-Informationstag (Foto Kinka Tadsen)

 

“Ich habe mich sofort angemeldet”, sagt Ertel. “Seitdem bin ich dabei.” Er hatte noch keinen Einsatz, in dem es sehr ernst war. Aber er hat ein gutes Gefühl, weil er dabei ist. So zum Beispiel in einer der Sturmnächte, wo er nachts um halb vier eingeteilt war, die Lage im Auge zu behalten. Dunkle Straßen, Menschen schlafen. “Die Frage ist doch, was kann ich tun? Selbst wenn du in der ganzen aktiven Zeit zwei Einsätze hast, dann ist das völlig ok. Aber zu denken, irgendwer kommt schon, geht nicht. Wenn alle so denken, kommt am Ende niemand.”

 

Wir sitzen in seiner kleinen Küche in Steenodde beim Morgenkaffee. Draußen am Süddorfer Strand stehen die Körbe sicher vor dem hohen Wasser dieser Tage. Ein Bekannter managt heute den Job – eine winzige Auszeit; Ertels Freundin ist gerade länger da, sie arbeitetet sonst ein paar hundert Kilometer entfernt. Ehe Ertel 2008 komplett nach Amrum zog, pendelte er ein Jahr lang zwischen Bad Cannstatt und der Insel hin und her. Was ging, weil er viel vom Computer aus arbeitete, an der Entwicklung von Karosserie-Rohbauten. Sein erstes Amrum-Jahr verbrachte er in Nebel am Strand, ehe ihn Peter Jessen ansprach, ob er nicht die Strandkorbvermietung in Süddorf übernehmen wolle. Hat er gemacht. Macht er jetzt seit 2010. Samt Verköstigung To-go und auf der kleinen Terrasse: frischer, fairer Kaffee, Eis, ein Glas Wein zum Sonnenuntergang. Jeden Tag bis Saisonende. Welche Zeit bleibt da noch?

 

Truppmann 1 hat er schon gemacht, Truppmann 2 zieht sich derzeit “ein bisschen zäh”. Atemschützer ist er, Funker auch, und kürzlich wurde er zum Gerätewart seiner Nebeler Wehr gewählt.

 

Auch Thorsten Ertel will die Zeit, die es braucht, um die Grundausbildung zu absolvieren, nicht herunterspielen. “Man muss es schon wollen und für sich selbst einfach eine Entscheidung treffen. Feuerwehr ja oder nein. Und wenn ja, dann sind die zusätzlichen Posten, die da auf einen zu kommen können, natürlich nicht ganz unwesentlich. Die brauchen Zeit, stimmt. Aber die Sache an sich ist großartig.” Er freut sich, wenn die Amrumer Feuerwehr durch diese Mitgliederwerbung ein noch deutlicheres Gesicht bekommt. “Man denkt ja immer, wenn mal was sein sollte, dann kommt schon jemand. Aber wer ist das, der da kommt? Das ist doch mal gut, zu wissen.”

 

Optimistisch bleibt er, was das Thema Pflichtfeuerwehr anbelangt. “Niemand, der hier lebt und arbeitet, hat wirklich Zeit über, ganz klar. Man muss schon bereit sein, irgendwo welche abzuzwacken. Aber es ist ja klar, dass es viel besser ist, wenn die Leute von sich aus Dienst tun und nicht verpflichtet werden müssen. Ich kann immer nur wieder die guten Kontakte herausstellen, die sich hier ergeben, eine schöne Geselligkeit. Auf unserer kleinen Insel sollten wir es schaffen – freiwillig.

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